In der Nacht auf den 23. November 1992 setzten Neonazis zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser in der Stadt Mölln mit Molotowcocktails in Brand. Bei diesem brutalen und rassistisch motivierten Brandanschlag starben drei Mitglieder der Familie Arslan, neun Menschen wurden schwer verletzt.
Das Attentat erregte bundesweit Aufsehen und Entsetzen. Der Vorsitzende des Ortvereins Ahrensburg, Jürgen Lohmann, schrieb nur einen Tag nach Bekanntwerden der Taten für die SPD Ahrensburg einen Brief. In diesem Brief brachte Jürgen Lohmann die Trauer über den Tod der Opfer zum Ausdruck und erklärte, in Gedanken bei den Schwerverletzten zu sein, die den feigen Anschlag nur knapp überlebt hatten.
Am 8. September dieses Jahres, also mehr als 30 Jahre nach den brutalen Brandanschlägen, erreichte unseren Ortsverein eine E-Mail. Absender war Ibrahim Arslan, einer der Überlebenden des Attentats. Seine Familienangehörigen, die 51-jährige Bahide Arslan, die zehnjährige Yeliz Arslan und die 14-jährige Ayşe Yilmaz starben. Er selbst überlebte als Siebenjähriger, von seiner Großmutter Bahide in der Küche in nasse Decken gewickelt, nur knapp. In seiner Mail an unseren Ortsverein drückte Ibrahim seinen und den Dank seiner Familie für den solidarischen Brief von Jürgen Lohmann aus. Es sei für ihn beschämend, sich erst nach über dreißig Jahren für die Anteilnahme zu bedanken.
In seiner Mail erklärte Ibrahim zugleich die bedrückenden Gründe, die zur späten Antwort geführt haben. Er berichtete, dass nach dem Anschlag tausende Schreiben aus Deutschland und der ganzen Welt versandt wurden, in denen die Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck gebracht wurde. Diese Briefe hätten die Familien der Opfer beider Attentate aber nicht erreicht. Sie seien vom damaligen Bürgermeister der Stadt geöffnet, gelesen und teilweise beantwortet worden, aber den Familien nicht gezeigt oder übergeben worden. Die Opfer erfuhren erst 2019 nur durch einen Zufall von der Existenz dieser Briefe und davon, dass sie im Archiv der Stadt Mölln gelagert und weitgehend vergessen wurden. Ibrahim verlangte und erreichte die Herausgabe dieser Briefe. 467 dieser Dokumente (Briefe, Postkarten, Trauerkarten und Zeichnungen) befinden sich dank des Einsatzes der Familie Arslan jetzt im Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD) in Köln und stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Die Mail endete mit dem Angebot eines persönlichen Treffens, dass wir sehr gerne annahmen und Ibrahim nach Ahrensburg einluden. Am 28.10 war es dann so weit. Viele Mitglieder unseres Vorstandes begegneten Ibrahim im Uns Huus und trafen auf einen beeindruckenden Zeitzeugen und Aktivisten. Ibrahim berichtete über die Hintergründe des bedrückenden, die Opfer immer wieder ignorierenden Umgangs der Mehrheitsgesellschaft mit den Möllner Attentaten, aber auch anderen rassistisch motivierten Taten wie den NSU-Morden. Er ordnete diese ein und gab Einblicke in sein inspirierendes Engagement und das seiner Familie. Ibrahim kämpft gegen das Vergessen und für die Sichtbarkeit der Opfer, gegen gesellschaftlichen Rassismus und für die Demokratie. Er ermutigt andere Betroffene zum Sprechen und erzählt unter anderem an Schulen von seinen Erlebnissen. Wir hoffen, den Dialog mit ihm fortsetzen zu können und erneuern auch an dieser Stelle noch einmal unseren großen und ernsten Dank für sein leider immer noch so wichtiges und dringliches Engagement.
Dieses Schreiben versandte die SPD Ahrensburg 1982:
(Torsten Sill)